Und - ich nehme meine Schande gleich vorweg - es schmeckt tatsächlich. Vergangenes Jahr lernten wir in den Bergen ein altes Ehepaar kennen. Es sind, wie alle Zyprer, gastfreundliche Leute. Sie wollten uns nicht ohne ein Abendessen ziehen lassen. Selbst gebackenes Brot, selbst eingelegte Oliven, die Eier von den eigenen Hühnern und ein paar gebratene Würste standen auf dem Tisch. Und dann trug der Mann stolz eine Platte mit kross gebratenen kleinen Gebilden herein. "Ganz frisch!", pries er sie an. Auf den ersten Blick erinnerten sie an irgendwelche Meeressfrüchte. Fürsorglich legte er jedem eins auf den Teller. Während wir das Essen noch misstrauisch beäugten, bissen die beiden Alten herzhaft hinein und ermunterten uns, es ihnen gleichzutun. Schon hatten wir das erste Exemplar im Mund. "Vögel", sagten sie freudestrahlend und zeigten auf die Leimruten, die in der Ecke standen. Es war zu spät! Angesichts der netten Einladung hätten wir es nicht übers Herz gebracht, den Bissen wieder auszuspucken oder den alten Leutchen einen Vortrag über Vogelschutz zu halten. Ich habe keine Ahnung, ob es Drosseln oder Grasmücken waren, die wir samt Kopf und Beinen verspeist haben. Ich für meinen Teil muss gestehen, dass es wirklich lecker schmeckte. Die Gewissensbisse kamen hinterher. Ich schwöre, dass ich mir bei der nächsten Einladung das Essen vorher genauer ansehe - und zur Not eine Vogelallergie vorschütze.
Hier die ganze Geschichte
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