Chill-Out über einer geteilten Stadt

Wer an einem Juli-Mittag nach Zypern kommt, dem geht nach der Ankunft nur ein Gedanke durch den Kopf: heiß. Durch die Gassen der geteilten Hauptstadt Nikosia wabert schwül-warme Luftsuppe, die dunkle Flecken auf die T-Shirts der Passanten treibt. Wer kann, zieht sich zur Siesta hinter die geschlossenen Fensterläden seiner kühlen Wohnung zurück. Nicht jeder kann: Der griechische Soldat, der den Übergang zum türkisch besetzten Teil der Stadt bewacht, wischt sich die Stirn unter seinem warmen Barett, der Grenzer auf der anderen Seite der sogenannten Greenline bringt nur ein erschöpftes Gähnen zustande.

Und wohin flüchtet sich der ahnungslose Reisende, der sich gerade durch den griechischen Teil der Altstadt schleppt? Die Antwort " 86-90 Faneromenis Street" würde ihm noch nicht sehr weiterhelfen: Er stünde vor dem Gebäude der Bank of Cyprus. Biegt er jedoch in die Sokrates Street ein und seinen Kopf weit zurück, kann er es am oberen Rand seines Blickfeldes schon fast erspähen: das Restaurant Aerikon.

Gleich beim Betreten der Dachterrasse ist der Besucher sich seiner Rettung gewiss: Zu kühlender Chill-Out-Musik rauscht eine leichte Brise durch die Blätter der großen Topfpflanzen am Eingang. Der Blick schweift frei über Hausdächer, an Kirchtürmen und Minaretten vorbei, streift die griechische Flagge aus dieser Hälfte der Stadt und bleibt an zwei riesige Flaggen mit Halbmond hängen, die Zyperntürken auf die Berghänge auf der anderen Grenzseite gemalt haben. Doch hier oben wirkt die traurige Teilung der Insel weit entfernt. Und schließlich ist gerade Mittagszeit auf beiden Seiten des Grenzzauns.

Im Schatten des Vordaches hat die Wirtin des "Aerikon" schon den Tisch gedeckt und Wasser, kalten Weißwein und gekühlten Rotwein bereitgestellt. Dann serviert sie die traditionelle Mezé, eine Reihe kleiner Köstlichkeiten, von Halloumi-Käse über mit Minzhack gefüllte Weinblätter bis hin zu geschmortem Schweinefleisch, schließlich kandierte Früchte und Obst. Die Hitze im Körper verfliegt und weicht wohliger Schläfrigkeit. Und das ist der einzige Makel dieses kleinen Dach-Paradieses: Irgendwann muss jeder wieder hinunter. Es gibt keine Betten hier oben.

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