Nach dem winterlichen Regen wird die Akamas-Halbinsel jetzt zum Garten Eden.

Das Sirren des Windes ist das einzige Geräusch. Dichtes Gras polstert den Boden zwischen Wacholder und Wildoliven. Grellgelb wuchern Kronenblumen, Sauerklee und Senfblumen. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Vor einer halben Stunde erst sind wir mit dem Jeep in Paphos losgefahren, der Urlauberhochburg im Südwesten Zyperns mit ihren zahlreichen Hotels, Souvenirshops, Cafés und Tavernen. Jetzt blicken wir auf den menschenleeren Toxefstra-Strand, der von einem Kreidefelsen flankiert wird. Genau hier, wo die Aspros-Schlucht an der Westküste endet, beginnt die praktisch unbesiedelte, weitgehend unter Naturschutz stehende Akamas-Halbinsel, wo einst Aphrodite und Adonis in Liebe entbrannt sein sollen. Benannt ist die Region aber nach dem griechischen Helden Akamas, Sohn des Theseus, den es nach dem Trojanischen Krieg nach Zypern verschlug. Auch er soll der schaumgeborenen Schönheit verfallen sein, die an Zyperns Gestaden dem Ozean entstieg, so die Legende.

"Eine Fahrt gen Osten muss mit Cypern beginnen. Alexander, Augustus, Richard Löwenherz und Ludwig der Heilige nahmen diesen Weg. Eine Fahrt gen Westen muss mit Cypern beginnen. Sargon, Ptolemäus, Cyrus und Harun al Raschid nahmen diesen Weg", schrieb H. Hepworth Dixon in seinem Klassiker "British Cyprus" von 1887. Zypern liegt wie ein Trittstein im östlichen Mittelmeer, an der Nahtstelle der Kontinente Europa, Asien und Afrika. Und wenn es auch ein kleines Land ist, das zudem seit 1974 geteilt ist, so ist es doch eine große Insel.

Zypern ist nicht unbedingt malerisch, schon gar nicht in den größeren Orten mit ihren eher gesichtslosen Betonbauten, aber ein wunderbares levantinisches Durcheinander. Die Küche mit der Tausend-Tellerchen-Kultur der "Meze" erinnert an den Libanon, die Minarette an den Orient, die Ikonen in den orthodoxen Kirchen an Griechenland und die extrem heißen Sommer an Nordafrika. Deshalb ist der Frühling die schönste Zeit, die Insel zu bereisen. Nach den winterlichen Regenfällen lassen die ersten intensiven Sonnenstrahlen die Vegetation förmlich explodieren.

"Hier standen die Zyklamen und Anemonen, die wir gesucht hatten - immer neue Laken, glitzernd wie junger Schnee. Ihre zarten Kelche wiegten sich im Seewind hin und her, dass es auf den ersten Blick aussah, als würden sie von Millionen Schmetterlingen beflogen", protokollierte der britische Schriftsteller Lawrence Durrell in seinem überaus lesenswerten Zypern-Buch "Bittere Limonen" sein geradezu kindliches Staunen über einen Frühlingsausflug in die Natur. Während im Troodos-Gebirge mit seinem fast 2 000 Meter hohen Olymp noch die Firnschneefelder glänzen, wirkt die ganz im Westen liegende Akamas-Insel längst wie ein Garten Eden.

Wir sind mit Christos Charalambous unterwegs, der in Zürich Geologie studiert hat, jede Pflanze und jeden Vogel auf der Insel kennt und für einen konsequenten Naturschutz auf Zypern kämpft. Zusammen mit seiner deutschen Lebensgefährtin bietet er "Ecologia"-Touren in kleinen Gruppen auf der Akamas-Halbinsel an. An der Lara-Doppelbucht machen wir eine Pause und Christos erzählt vom sommerlichen "Nachtleben" an diesem Strand, wenn hier Unechte Karettschildkröten und die extrem seltene grüne Suppenschildkröte an Land kommen, um ihre Eier im Schutz der Dunkelheit abzulegen.

Dann schrauben wir uns auf der Holperpiste den Hang hinauf, halten nur, um Vögel wie Grasmücken, Drossel und Halsband-Frankoline zu beobachten. Als die Kalkfelsen von Kissenlava-Formationen abgelöst werden, ändert sich schlagartig die Vegetation. Plötzlich rollen wir im kühlen Schatten von mächtigen Kiefern, an deren Ästen die Prozessionsspinner-Raupen filigrane Nester gebaut haben. Nahe der Kapelle Agios Minas lassen wir den Landrover stehen und brechen auf zur gut ausgeschilderten Rundwanderung "Pissouromoutti". Der Boden zwischen Pistaziensträuchern, Thymian und harzig-süß duftenden Zistrosen ist üppig mit Wildblumen bedeckt. Schneeweiß leuchten Milchstern, Allium und Anemonen. Wie Blutstropfen wirken die Blüten der winzigen purpurroten Spargelbohne im dichten Grün. Gut, dass wir Christos dabei haben, dessen geschultes Auge die zahlreichen, aber ebenfalls zwergenhaften Orchideenarten ausmacht, an denen wir vorbeigelaufen wären und die extrem trickreich für ihre Vermehrung sorgen. Der violette Zungenstendel zum Beispiel rollt eines seiner Blütenblätter wie zu einem Schlafsack für Insekten zusammen, die so ein bequemes Nachtquartier finden und am nächsten Morgen den anhaftenden Blütenstaub weitertragen.

Den Abzweig hinauf zur Felsenkuppe sollte man allerdings vor lauter Staunen keinesfalls verpassen. Der höchste Punkt weithin bietet einen grandiosen Ausblick über die mit Blumen gespickten Hänge bis zu den langen Akamas-Stränden im Westen und den Olivenhainen um die Bucht von Polis im Norden. Zwei Rundwandertouren bieten sich ab der Nordküste der Akamas-Halbinsel an: der Aphrodite- und der Adonisweg, beide rund 7,5 Kilometer lang. Richtige Bergfexe aber machen sich auf, um mit Christos oder seinem Freund Antonis die anspruchsvollen Touren vom Grat der Halbinsel durch die Avgas- oder die Aspros-Schlucht bis hinunter zur Westküste zu wandern. Wer will, kann sich am Schluss erfrischen. Das Wasser am langen Sandstrand hat immerhin bereits 18 bis 20 Grad. Schaumgeboren wie Aphrodite entsteigt man den türkisen Fluten.

Claudia Diemar

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