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Thema: In Aphrodites Schatten

  1. #1
    Zypern-Insider
    61 Jahre alt
    aus Übach-Palenberg
    1.355 Beiträge seit 04/2005

    In Aphrodites Schatten

    Bericht einer Deutschen, die in Zypern lebt und als Journalistin arbeitet.

    Die Insel der Weltbürger
    Christiane Sternberg | 05. Januar 2008 16:33 Uhr

    Was mach' ich eigentlich hier? Ich meine genau hier, hier in Zypern. Mindestens einmal pro Woche bin ich gezwungen, diese Frage zu beantworten. Denn es gibt immer jemanden, der nicht versteht, warum ich auf dieser Insel wohne. Ich rede dabei nicht von den Leuten in Deutschland, die mich beglückwünschen und sich vorstellen, wir hätten ein Haus am Mittelmeer.
    Zypern assoziiert sofort Wasser, Strand, Sonne - es ist wie ein pawlowscher Reflex. Nein, ich meine die Zyprer, die unsere Beweggründe nicht verstehen. Häufig begegnen uns ungläubige Blicke. Freiwillig hierher aus dem schönen, großen Deutschland?

    Den sehnsüchtigen Zyprer zieht es in die entgegengesetzte Richtung - vornehmlich nach England oder in die Staaten. Auf der Weihnachtsparty saß eine Frau neben mir auf dem Sofa und erzählte mit verträumten Augen, sie würde nach Kanada ausreisen, sobald ihre Tochter dort mit dem Studium fertig sei und einen Job gefunden habe. "Hier ist alles so eng!", fasste sie ihr Fernweh zusammen. Vielen Zyprern, die während ihrer Ausbildung andere Länder kennengelernt haben, fehlt irgendwann irgendetwas. Seien es grüne, kühle Wälder, hochkarätige Kunst, alternative Lebensformen oder Nürnberger Würstchen. Ihnen fehlt die große weite Welt, von der eine Insel - egal welche - immer auf die eine oder andere Weise abgeschnitten ist.

    Andererseits aber drängt es jede Menge Ausländer nach Zypern. An dieser Stelle seien einmal nur die Legalen aufgezählt. Da sind die britischen Senioren, die die milden Winter und heißen Sommer in echten englischen Pubs verbringen. Geschäftsleute, die niedrige Steuern und andere merkantile Großzügigkeiten schätzen. Da sind die chinesischen Studenten, russische Millionäre, die ukrainischen "Künstlerinnen" aus den Nachtbars, polnische Bauarbeiter oder die Housemaids aus Sri Lanka und von den Philippinen, die von 256 Euro Monatsgehalt ihre zurückgelassene Familie aufpäppeln.

    Warum ich hier bin? Zuerst fallen mir kleine, ganz persönliche Gründe ein: Die Nächte, in denen man am Strand schlafen kann, ohne Ärger zu bekommen. Im Winter auf dem Balkon frühstücken zu können. In einer europäischen Hauptstadt zu leben, die gemächlicher funktioniert als Berlin oder London. Geduld zu lernen vom "siga, siga" und "yavash, yavash" ("langsam, langsam" auf griechisch und türkisch) der Einheimischen. Von Menschen umgeben zu sein, die Fremde einfach auf einen Kaffee ins Haus bitten. Und außerdem imponiert mir die Selbstverständlichkeit des zyprischen Weltbürgertums.

    Ja, auf eine bestimmte Art sind sie echte Weltbürger. Dazu qualifiziert durch ihre Bereitschaft, sich auf andere Länder und andere Menschen einzustellen - einfach weil sie müssen, weil ihre eigene Insel so klein ist. In Zypern werden viele Kinder an englischen Schulen unterrichtet. Und niemand wirft deren Eltern deshalb elitäres Denken vor (wie mancherorts in Deutschland). Wer eine gute Ausbildung will - so der allgemeine Tenor - muss im Ausland studieren. Natürlich gibt es auch hier Universitäten, aber deren internationaler Ruf hallt nicht so weit. Die Trennung von der Familie, sich in einem fremden Land mit fremder Sprache durchzusetzen, andere Lebensstrukturen kennenzulernen, das prägt und verleiht einen kosmopolitischen Touch. Hinterlässt aber auch Heimweh und diese Sehnsucht nach der Fremde.

    Dagegen muss kaum ein Deutscher eine Grenze überqueren, um "etwas zu werden" oder beim Studium etwas zu erleben. Von guten Ausbildungen bis hin zur ausgefallenen Kulturszene gibt's ja alles im eigenen Land. So hakt's dann meist auch mit den Fremdsprachen. Insofern haben die zyprischen Biografien den unflexiblen Lebensstrukturen in Deutschland einiges voraus. Ein harter Satz, ich weiß. Und ich wette, kein einziger Zyprer würde ihn mir glauben.


    Quelle: http://www.stern.de/blog/index.php?op=V ... &blogId=60

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    Zypern-Insider Avatar von CY
    53 Jahre alt
    aus LCA/LIM
    2.866 Beiträge seit 05/2005
    Danke
    21
    interessanter Blickwinkel.

    Das was da als Frau Sternbergs homepage angegeben ist http://www.cips.com.cy/ kannte ich schon, wusste aber nicht wer "dahinter steht"... Wieder was gelernt


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